Erfahrungsbericht von Anna Göggerle
Alltag im Good Shepherd Home
„Aunty Anna!“ „Aunty Larissa!“
Verschlafen öffnen wir unsere Augen, schauen uns an und grinsen über das Kindergeschrei und den Rufen nach uns. Es ist 7 Uhr morgens. Eine von uns tappt auf den Balkon, das freudige Geschrei wird lauter, „good morning, we´re comming!“ lautet unsere Antwort. Schnell ziehen wir uns etwas über, Zähne putzen und eine kurze Katzenwäsche, dann geht es nach draußen vor die Tür. Dort wartet eine kleine Horde von Kindern, die auf einen stürzen und sich scheinbar einfach freuen, dass wir da sind und sie in den Arm nehmen.
So beginnt ungefähr jeder Tag im Good Shepherd Home während unseres Besuches.
Nachdem wir die Kids begrüßt haben, gehen wir eine Runde über das Gelände und sehe, wo wir mit anpacken können. Je nachdem steht entweder das Füttern des Frühstückes oder Wasser holen und danach das Waschen der Kleinkinder an. Das Wasser tragen ist wirklich anstrengend für uns. Im Vergleich zu den Frauen und ja, selbst zu den Kindern, kommen wir uns vor wie globige Schwächlinge. Wir können nur staunen über die Anmut und Kraft dieser schönen Frauen und wie sie die Last der gefüllten Wasserkanister auf ihren Köpfen nach Hause tragen. Sie gehen ruhig und konzentriert und wirken stolz in ihrem Dasein wie auch in ihrem Tun. Beeindruckt und neidisch über dieses Können, scheinen wir eher bei der Verwendung des Wassers hilfreich zu sein. Sobald das kalte Wasser in einen kleinen Trog gefüllt ist, sowie Seife und Bürste parat liegen, kann es auch schon losgehen. Die Kinder, ungefähr zehn an der Zahl, ziehen sich aus und warten meist sehr artig bis sie an der Reihe sind. Das erste Kind wird mit ein bis zwei Händen kalten Wasser abgespritzt, dann mit der Seife –die übrigens parallel zum Geschirr spülen oder Kleider waschen benutzt wird – eingerieben und von Kopf bis Fuß abgebürstet. Schließlich wird die Seife wieder mit so viel Wasser wie nötig abgewaschen. Beeindruckend ist, dass keines der Kinder quengelt. Ist das erste Kind fertig gewaschen, kommt das nächste dran. Die sauberen und vor Wasser tropfenden Kinder stellen sich zum Trocknen entweder in die Sonne oder werden mit dem Handtuch abgerieben. Während Eine von uns weiter Waschanlage spielt, nimmt die andere von uns Vaseline zur Hand und cremt die Kids von oben bis unten damit ein, so dass sie glänzen und schön duften. Danach geht es in die frischen Klamotten, die von einer der Jugendlichen zuvor ausgewählt werden. Frisch gewaschen und in sauberer Kleidung geht es dann wieder zum Spielen. Lange hält der reine Zustand also nicht an.
Nachdem die erste Tat des Tages erfolgreich erfüllt ist, ziehen Larissa und ich uns für eine Weile zum Frühstück zurück. Da wir ganz verrückt nach all den frischen exotischen Früchten sind, gibt es jeden Morgen Mango, Papaya oder Ananas. Außerdem Rührei, Brot und Kaffee mit Milchpulver. Gestärkt für die nächste Aktion geht es am späten Vormittag zur Außenküche. Dort tummeln sich die Schwestern des Hauses, welche die Anleitung zum Kochen an die Kinder jeden Alters weitergeben. Jeder fasst mit an. Es wird Gemüse geschnippelt, Ingwer gestampft, Kochbananen gebraten, Reis gekocht, Poff-Poff frittiert, Fisch zerlegt, Brennholz gehackt, um das Feuer zum Kochen am Leben zu halten und in all dem Tumult immer wieder für Sauberkeit und Ordnung gesorgt. Auch dieses Szenario ist wirklich eindrucksvoll. Jeder geht mit zur Hand und scheint zu wissen, was seine/ihre Aufgabe ist. Das Ergebnis hiervon ist nicht nur reichlich, sodass jeder satt wird, sondern auch noch richtig lecker.
Zur selben Zeit bzw. gefühlt den ganzen Tag wird Wäsche gewaschen. Auch hier ist Kraft und die richtige Technik gefragt, darum werden wir eher dazu beauftragt, die nasse Wäsche zum Trocknen aufzuhängen. Neben all den Tätigkeiten, haben wir eigentlich immer mindestens ein Kind auf dem Arm oder mindestens 2 Kinder an den Händen. Wir sind nie allein. Wenn wir mal eine Pause brauchen, um einfach kurz Luft zu holen oder sich über all die Erlebnisse und Gegebenheiten vor Ort auszutauschen, müssen wir in unser Zimmer gehen. Es besteht eine imaginäre Grenze, denn keines der Kinder traut sich die Schwelle zu übertreten und bleibt respektvoll vor der Tür stehen und wartet ungeduldig bis wir endlich wieder herauskommen.
Nachdem auch unsere Bäuche voll sind vom Mittagessen, welches Mother Jane extra für uns zubereitet – wir können uns nicht wehren gegen diese Sonderbehandlung – gehen wir wieder raus zu den Kindern. Wir sitzen einfach zusammen, die Kleineren finden immer einen Weg auf einen zu krabbeln, sodass ein „Berg Kinder“ auf dir ist. Larissa powert sich und die Anderen aus, indem sie am späten Nachmittag circa eine Stunde Workout macht mit allen die Lust dazu haben. Viele warten schon ungeduldig bis sie endlich anfängt und haben einen rießen Spaß. Andere wiederum warten darauf, dass ich endlich das Buch weiterlese, welches wir vor ein paar Tagen begonnen haben. Sie setzen sich alle um mich und hören gespannt zu. Wenn hier jemand kommt und stört, können die Kids schon mal etwas gröber untereinander werden.
Bevor es anfängt zu dämmern gehen wir zum Basketballplatz des Waisenhauses, wo die größeren Jungs ein paar Körbe werfen. Wir gesellen uns dazu und haben mit den zuschauenden Kindern die beste Fangemeinschaft, die man sich wünschen kann. Die letzten Bälle werden vage in Richtung Korb geworfen, da man kaum mehr etwas sieht. Müde und positiv erschöpft gehen wir in unser Zimmer, um uns frisch zu machen. Auch die Kinder werden ruhiger und machen sich langsam bettfertig. Obwohl sich der Tag seinem Ende neigt, findet das Highlight erst noch statt.
Und zwar dürfen jede Nacht drei bis vier Kinder bei uns auf einer separaten Matratze schlafen. Jeden Abend werde andere Kinder ausgesucht mit der Hoffnung, dass während unseres Aufenthalts jeder zumindest einmal bei uns schlafen kann, der möchte. Wenn die Kinder ausgewählt sind und zu uns aufs Zimmer kommen, sind sie kaum mehr wiederzuerkennen. Sie sind plötzlich ganz still und bedacht – zumindest zu Beginn. Auf ihrer Matratze sitzend, malen sie ganz konzentriert mit den von uns mitgebrachten Buntstiften und Malbüchern. Bevor dann endgültig die Bettzeit von uns eingeläutet wird, geht jeder nochmal pipi machen – die Kleineren bekommen zur Sicherheit Windeln an – und bekommt ein kleines Betthupferl. Wir machen das Licht aus und nach ein paar Flüsterminuten wird es dann immer ruhiger bis auch der oder die Letzte die Äuglein zu gemacht hat.
In dieser Ruhe finden auch wir, dass es Zeit ist, in die Traumwelt überzugehen.
Wir beenden den Tag beinahe so, wie wir ihn begonnen haben. Wir liegen wieder nebeneinander, schauen uns an und freuen uns über die tollen Erlebnisse mit den Kindern, die wir bisher hatten. Gespannt darüber, was uns am nächsten Tag erwarten mag, hängt am Ende jede ihren eigenen Gedanken nach. Bevor auch uns die Augen zufallen, machen wir das Licht aus und flüstern uns noch eine „Gute Nacht“ zu.